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Mit 900000 Fake-Testern zur perfekten Bewertung

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    • Mit 900000 Fake-Testern zur perfekten Bewertung

      Kürzlich suchte ich eine neue Bluetooth-Box, es sollte einfach der passende Sound für die kommende Balkon-Saison sein. In diesem Bereich habe ich keine besondere Expertise, also schaute ich mich im Internet um, etwas Recherche kann ja nicht schaden. Kurze Zeit später las ich in den Rezensionen pure Superlative, für knapp 100€ bekam ich angeblich „unvergleichlich satte Bässe“, „kristallklare Höhen“, eine „unglaubliche Laufzeit“ und „den perfekten Begleiter für jede Party“. Das waren ehrlich begeisterte Kunden – oder hatte ich doch Fake-Bewertungen vor mir? Amazon verklagt gerade zwei Firmen, die solche Rezensionen in großem Stil verkaufen.

      Vielleicht erinnern Sie sich noch, als früher der Staubsaugervertreter an der Tür klingelte. Dieser Herr konnte einem das Blaue vom Himmel erzählen, was sein Produkt alles könne, häufig glaubte man ihm und kaufte für ziemlich viel Geld ein zweifelhaftes Produkt. Heute wähnt man sich viel schlauer und schaut in Testergebnisse und Reviews, das Internet ist voll davon und selbst per Video wird fast alles unter die Lupe genommen. Dabei vergisst man gerne eines: Wer mit großem Aufwand und voller Objektivität testet, verschenkt diese Erkenntnisse nicht gerne, sondern bleibt meistens hinter der Paywall. Und wer im Internet seine Ergebnisse teilt, muss dies nicht immer aus lauteren Motiven machen. Viele sog. Testseiten verhökern ihre Rankings an den Meistbietenden, arbeiten über Affiliates als Zwischenhändler, andere Bewertungen bei Amazon und Co. entstehen für Bares oder die Produkte selbst.
      Sagen Ihnen die Namen AppSally oder Rebatest etwas? Ich vermute nicht, wenn Sie nicht selbst professionell bei Amazon, Ebay oder Etsy verkaufen möchten. Besser: Wenn Sie verkaufen und Schmu machen wollen. Denn diese Unternehmen bieten unverblümt Dienste an, die gegen alle Geschäftsbedingungen (und jede Art von Redlichkeit) verstoßen: Sie verkaufen Bewertungen, weltweit und über viele Plattformen hinweg. Und man scheint irgendwie zu glauben, dass alles nett, professionell und legal wirkt, wenn man jegliche Geheimnistuerei weglässt und sein Geschäftsmodell unverblümt zur Sprache bringt. Man bietet „Dienstleistungen, die Ihnen helfen, Ihre Konkurrenten von Ihrem Schlafzimmer aus auszustechen“ oder gar „Die perfekte Wachstumswaffe für Ihr Unternehmen“. Mit jubelnden Kundenbewertungen, einem professionellen Support und sogar kostenlosen E-Books zum Thema gibt man sich ganz offen und scheint das eigene Tun für vollkommen legitim zu halten.
      Je mehr Sterne, desto mehr Verkäufe
      Das alles findet Amazon gar nicht witzig und setzt sich gegen solche Anbieter und deren Bewertungen massiv zur Wehr. Nach eigenen Angaben stöbern 10000 Mitarbeiter durch die Milliarden Rezensionen und das Unternehmen setzt zusätzlich schlaue Algorithmen zur Fakesuche ein. Sogar über eine Abteilung für „weltweites Kundenvertrauen“ verfügt man, die organisierte Fälscher bis zu Facebook und in Telegram-Gruppen verfolgt. Nach Amazon-Angaben wurden 16.000 solcher Gruppen Anno 2021 gemeldet, Gruppen mit insgesamt elf Millionen Mitgliedern seien damit Geschichte gewesen. Dieses Zahlen vermitteln schon eine Ahnung, in welchen Dimensionen betrogen wird – und wie viele Menschen sich dafür bezahlen lassen. Allein schon AppSally und Rebatest, die nur zwei von vielen Anbietern für Fake-Bewertungen sind, sollen 900.000 "Tester" in Bereitschaft haben, weltweit und für fast jede Sprache verfügbar. Lässt man diese Zahlen kurz sacken, liest man viele Bewertungen im Netz völlig anders. Und ich frage mich, ob ein normaler Rezensent wirklich so begeistert über seine Wäschetonne, den Dosenöffner oder eine “weiße LED-Kerze, Standard“ sein kann.
      200 Millionen Bewertungen will Amazon 2020 gelöscht haben, bevor ein Kunde sie überhaupt sehen konnte. Doch was machen sie, wenn die Bewertungs-Hehler schlauer vorgehen und keine Textbausteine verwenden? Oft gehen Händler einen recht aufwendigen Weg: Vermittelt durch einen Dienstleister bestellen die „Kunden“ Produkte, die ihnen dann gratis geschickt werden. Amazon verzeichnet so einen verifizierten Kauf, der besonders gekennzeichnet wird und einen gewissen Vertrauensvorschuss genießt. Der Kunde schreibt dann seine Loblieder und kann den Artikel behalten. Manchmal werden auch leere Kartons verschickt, dann wechseln Geld oder Gutscheine den Besitzer. Der „Kunde“ wird auch kurz unterwiesen, wie die Kritiken aussehen soll. Am besten sind eigene Fotos und bitte keine Formulierung aus der Werbung zu nutzen. Das I-Tüpfelchen bildet ein ganz, ganz kleiner Kritikpunkt, der eigentlich nicht wirklich ins Gewicht fällt, aber so schön gewissenhaft und authentisch wirkt. Vielgehörte Phrasen à la „meine Frau ist auch total begeistert, weshalb wir gleich noch eins gekauft haben“, sollen inzwischen vermieden werden. Wie soll Amazon eine solche Bewertung noch erkennen? Ich vermute, dass man nur die ungeschickten und simplen Exemplare entdeckt, der Rest bleibt stehen und beeinflusst uns alle mehr oder minder.
      Was im Einkaufskorb landet, hängt auch von unserem Vertrauen ab
      Amazon will dies nicht hinnehmen und geht vor Gericht gegen die Anbieter von Fake-Bewertungen und deren Business-Kunden vor. So sperrte man kürzlich zwei Konten von Shop-Betreibern, denen man 250 gefälschte Bewertungen vorwarf. Diese Shops waren vorher bereits verwarnt gewesen, gingen aber vor Gericht dagegen vor. Sie bekamen vor einem deutschen Landgericht Recht, weil dem Richter Amazons Begründung nicht stichhaltig genug war, doch kann Amazon weiter durch die Distanzen gehen oder selbst auf Unterlassung klagen. Amazon will weiter kämpfen, wie ein Sprecher betonte: „Wir werden die notwendigen rechtlichen Schritte einleiten, um nicht nur die Gerichtsentscheidungen zu korrigieren, sondern auch um den Kampf gegen das verbraucherfeindliche Geschäft der Vermittler gefälschter Rezensionen fortzusetzen und auszuweiten.“ Genug in der Prozesskasse hat man allemal, also wird es weitere Verfahren geben, in denen man zur Abwechslung sogar mal Amazon die Daumen drücken kann. Man will gegen AppSally und Rebatest eine gerichtliche Unterlassungsverfügung und die Auftragsbücher mit allen Kunden (also den betrügerischen Händlern), gegen welche man weiter vorgehen will. Man darf also gespannt sein, wie diese Verfahren laufen und ob die ganze dubiose Branche in Wanken kommt – die Kunden würden es sich wohl wünschen!
      Quelle: AshAmpoo Blog


      Mia san Mia und Mia san Tripel