Internet aus dem All - Gibt es bald Netz für alle?
20.02.2019, 12:36 Uhr, Julia Naue
Ein Leben ohne Internet können sich viele nicht mehr vorstellen. Doch nicht überall auf der Welt gibt es Netz - und nicht jeder kann sich einen eigenen Zugang leisten. Das soll sich mithilfe von Satelliten ändern.
In der Wüste mal eben kurz die Mails checken, im Dschungel die neusten Nachrichten lesen? An mobiles Internet haben sich die meisten Menschen gewöhnt. Aber es gibt Orte, da würden wohl die wenigsten mit Internetempfang rechnen. Ganz zu schweigen von nervigen Funklöchern. Neue Projekte versprechen nun, die gesamte Welt mit günstigem Internetzugang zu versorgen - mithilfe von Satelliten im Weltraum. Kann das funktionieren? OneWeb Satellites heißt ein Vorhaben. Es ist ein Gemeinschaftsprojekt zwischen dem Luftfahrt- und Rüstungskonzern Airbus und dem US-Telekommunikationsunternehmen OneWeb, hinter dem Internetpionier Greg Wyler steht.
ist für die Entwicklung der Satelliten zuständig. Am 26. Februar sollen
die ersten von ihnen an Bord einer Sojus-Rakete vom Weltraumbahnhof
Kourou in Französisch-Guayana ins All geschossen werden. Hunderte
weitere sollen in den kommenden Jahren folgen - mit dem Raketenbauer
Arianespace sind aktuell 21 Raketenstarts vereinbart. "Die Konstellation
ist auf 900 Satelliten ausgerichtet", erklärt Nicolas Chamussy, Leiter
der Raumfahrtsparte von Airbus.
Das Neue an dem Projekt ist, dass die Satelliten auf eine niedrige
Erdumlaufbahn von 1200 Kilometern gebracht werden sollen. Aktuell gibt
es Satelliten-basiertes Internet in der Regel von sogenannten
geostationären Satelliten, die die Erde in mehr als 35 000 Kilometer
Entfernung umrunden. Ebenfalls besonders ist, dass die Satelliten in
Massenproduktion gefertigt werden - mehrere täglich werden gebaut. Sie
sind kleiner und leichter als gewöhnliche Satelliten, daher können mit
einem Raketenstart gleich eine Reihe von ihnen ins All befördert werden.
Auf der Erde kommunizieren Benutzerterminals mit den Satelliten im
Weltraum. Im Fall von OneWeb funktioniert das über kleine
Satellitenschüsseln, die auf dem Dach montiert sind und mit Solarstrom
versorgt werden. Sie können 3G-, LTE- oder 5G- Internet sowie Wlan in
die Umgebung bringen, verspricht OneWeb.
Wie gut die Qualität des Internets sein wird, lasse sich vorher
nicht exakt sagen, erklärt Roland Bless vom Karlsruher Institut für
Technologie (KIT). "Weil die Satelliten eine relativ niedrige Umlaufbahn
haben, ist davon auszugehen, dass die Verzögerung im Vergleich zu
herkömmlichen geostationären Satellitenverbindungen recht kurz sein
dürfte." Eine möglichst geringe Verzögerung ist ein wesentlicher Faktor
für schnelles Internet. Allerdings sieht der Experte auch einen Nachteil
in der Nähe zur Erde. "Die Funkfrequenzen dürften relativ hoch sein.
Das heißt, Wetterbedingungen wie Nebel oder Wolken können die
Empfangsbedingungen beeinflussen."
Außerdem müssen die Satelliten regelmäßig ausgetauscht werden, denn
ihre Lebenszeit ist begrenzt. Dadurch, so Kritiker, entsteht eine Menge
Weltraumschrott. Chamussy von Airbus verweist auf ein französisches
Gesetz, wonach ein Satellit, der von Frankreich aus startet oder dort
entwickelt wurde, auch wieder aus dem Orbit geholt werden muss. Zwar
könne er das nicht für jeden einzelnen der Satelliten garantieren,
prinzipiell aber bestehe die Verpflichtung, schon am Anfang der Mission
sicherzustellen, dass kein Weltraummüll entsteht.
Nicht nur OneWeb Satellites tüftelt an derartigem Internet aus dem
All. Das kanadische Unternehmen Telesat will mit seinem Projekt
"Telesat-Leo" ab 2022 weltweiten Service anbieten, ebenfalls mithilfe
von Airbus. Auch das amerikanische Raumfahrtunternehmen SpaceX von
Tesla-Gründer Elon Musk arbeitet an einem ähnlichen Vorhaben und will
mit "Starlink" deutlich mehr Satelliten ins All bringen als OneWeb:
Tausende sollen es werden. Erste Satelliten wurden Anfang 2018 mit einer
Falcon-9-Rakete ins All gebracht. Wenn die Tests damit erfolgreich
sind, soll auch "Starlink" bald starten.
Facebook hatte ein ähnliches, seit 2014 entwickeltes Projekt - die
Internet-Drohne "Aquila" - im vergangenen Jahr aufgegeben. Die
Fluggeräte hätten monatelang autonom in großer Höhe fliegen sollen. Ein
erster Testflug im Jahr 2016 hatte mit einer Bruchlandung geendet. Ein
konkurrierendes Projekt mit großen Drohnen war von der Google-Mutter
Alphabet schon zuvor aufgegeben worden. Ganz aus dem Rennen ist Alphabet
damit aber nicht: An einer Internet-Versorgung mit Ballons wird weiter
getüftelt. Die "Loon"-Ballons sollen in rund 18 Kilometern Höhe
unterwegs sein, am Boden sind zumeist spezielle Antennen für den
Netzempfang nötig.
"Es ist entscheidend, der erste zu sein, der den Service anbietet",
sagt Chamussy von Airbus. "Tempo ist der Schlüssel." Ziel sei es, in den
nächsten Jahren so schnell wie möglich sehr viele Satelliten ins All zu
bringen. Solange nur ein Bruchteil von ihnen im All ist, funktioniert
das Weltraum-Internet nicht richtig. "Das frisst dann nur die Lebenszeit
der Satelliten", so Chamussy. Geplant ist dem Unternehmen zufolge, die
digitale Kluft weltweit bis spätestens 2027 zu überwinden. An den Start
soll das Projekt aber schon viel eher gehen.
Gibt es also in wenigen Jahren überall auf der Welt Internet? "Nun
ja, vieles ist auch noch unklar", gibt Bless vom KIT in Karlsruhe zu
bedenken. Prinzipiell sei es schon denkbar, den Großteil der Erde
auszuleuchten. Auch Orte ohne schnelles Internet in Deutschland könnten
vom Weltraum-Netz profitieren. Allerdings brauche es eine Vielzahl von
Benutzerterminals auf der Erde, die das Signal der Satelliten umwandeln.
"Denn mit dem Smartphone allein kann man das Signal noch nicht
empfangen", so Bless. Das aber könnte teuer und aufwendig werden.
Auch die genaue Zusammenarbeit mit Telekommunikationsunternehmen ist
noch nicht im Detail geklärt. Müssen Nutzer mit "OneWeb", "Starlink"
oder anderen Anbietern einen eigenen Vertrag abschließen? "Das wäre
natürlich eher unpraktisch", so Bless. Oder kooperieren bestehende
Unternehmen mit den Weltraum-Dienstleistern und zahlen Roaming-Gebühren?
Dann würde der Kunde wohl gar nicht mitbekommen, wenn er das
Weltraum-Internet nutzt. Offen ist zudem auch die Frage, ob das Netz
wirklich für Menschen in allen Regionen der Welt erschwinglich sein
wird.
Quelle: DF
Mia san Mia und Mia san Tripel