BGH: Werbeblocker im Internet sind zulässig
Im Web werden viele Seiten durch Werbung finanziert. Adblocker unterdrücken Werbeeinblendungen und sorgen bei Anbietern von Internetseiten für Ärger. Jetzt gibt es rechtliche Klarheit
Wenn Internet-Nutzer sich von Werbung genervt fühlen, greifen etliche
Anwender zu einem Werbeblocker. Da aber viele Unternehmen ihr Web-Angebot
durch Werbung finanzieren, entstehen Konflikte.
So erlaubt dasMedienunternehmen Axel Springer den Zugriff nur bei ausgeschaltetemWerbeblocker. Im Prozess gegen den Anbieter des populären FiltersAdblock Plus, das Kölner Unternehmen Eyeo, ist der Verlag jetzt vordem Bundesgerichtshof gescheitert (I ZR 154/16).
Was sind Werbeblocker und wie arbeiten sie?
Ein Werbeblocker oder Adblocker ist ein Programm, das die Einblendungvon Werbung verhindert oder nur bestimmte Werbung durchlässt. DieAnzeigen werden zum Beispiel anhand der Internetadresse der Servererkannt, die die Werbung ausspielen. Adblock Plus arbeitet mit zweiListen: Wer auf der schwarzen Liste, der Blacklist, steht, wirdblockiert, wer auf der weißen Liste, der Whitelist, steht, darfpassieren. Nach BGH-Angaben ist Adblock Plus auf rund zehn MillionenEndgeräten in Deutschland installiert.
Warum wehrt sich Springer gegen Werbeblocker?
Für Medienhäuser wie Axel Springer steht wirtschaftlich viel auf demSpiel. Werbung macht einen beträchtlichen Teil der Einnahmen aus.Wenn jeder Nutzer Werbung blockiert, gibt es keine Werbeerlöse. "Dassdigitaler Journalismus dann nicht mehr refinanzierbar ist und dieMedienvielfalt im Internet gefährdet wird, liegt auf der Hand", sagtder Leiter Medienrecht bei Axel Springer, Claas-Hendrik Soehring.
Das Unternehmen hält das Blockieren von Werbung über eine Blacklistfür rechtswidrig und ist nicht bereit, Eyeo Geld dafür zu bezahlen,um auf die weiße Liste zu kommen. Die Whitelist enthältInternetseiten, auf denen Werbung nach bestimmten Regeln zu sehenist. Solche als akzeptabel eingestufte Werbung lässt Adblock Pluspassieren. Soehring kritisiert das als "erpressungsähnlichen Vorgang:erst jemanden wegblocken und dann gegen Zwangsprovision wiederfreischalten".
Was sagt der Hersteller?
Auch Eyeo ist nach Worten von Unternehmenssprecherin Laura SophieDornheim der Überzeugung, dass journalistische Inhalte finanziertwerden müssen. Es gebe aber weitere Möglichkeiten neben der Werbung."Wir sind der Meinung, dass es Werbung in einem akzeptablen Rahmengeben soll", sagt Dornheim. Das sei der Grund für das Whitelisting.
Eyeo trete für den Kompromiss ein, weniger und nicht aggressiveWerbung zuzulassen. Solche Werbung laufe auch bei Nutzern von AdblockPlus. Weil das mit Aufwand verbunden sei, verlange der Hersteller derSoftware eine Vergütung.
Was halten die Adblocker für angemessene Werbung?
"Sie darf nicht nerven", sagt Dornheim. Kriterien seien etwa, dassWerbung höchstens 15 Prozent der Startseite einnimmt und nicht inder Mitte von Texten steht. Außerdem dürfen Video oder Sound nichtautomatisch starten und keine Popups verwendet werden. Dornheimbetont, dass Eyeo nur in Deutschland rechtliche Auseinandersetzungenwegen Adblocker führen müsse.
Wie und mit welchen Gründen hat der BGH entschieden?
Grundlage sind die Paragrafen 4 und 4a des Gesetzes gegen denunlauteren Wettbewerb (UWG). Springer wirft Eyeo wettbewerbswidrigesHandeln vor. Nach Paragraf 4 UWG handelt unlauter, wer Wettbewerbergezielt behindert. In Paragraf 4a UWG geht es um aggressivegeschäftliche Handlungen, die Verbraucher oder andere Marktteilnehmerzu einer Entscheidung veranlassen, die sie sonst nicht getroffenhätten.
Der I. Senat des BGH sieht aber keine Verstöße von Eyeo. Einwichtiger Grund ist nach Angaben der Richter, dass die Internetnutzerselbst durch Installieren der Software die Werbung blockieren, nichtdas Unternehmen Eyeo. Außerdem könne sich Axel Springer wehren, indemer Nutzern, die einen Adblocker verwenden, den Zugang zu seinenAngeboten sperrt. Eyeo übe auch keinen Druck aus, der Unternehmen zueiner irrationalen Geschäftsentscheidung in Bezug auf die Whitelistdrängen könne.
Was hatten die Vorinstanzen entschieden?
Vor dem Oberlandesgericht (OLG) hatte Axel Springer noch einenTeilerfolg erzielt. Das OLG hatte die Verwendung der Blacklisterlaubt, die Whitelist aber als rechtswidrig eingestuft. In weiterenOLG-Prozessen in Hamburg und München war der Verlag bereitsunterlegen.
Welche Folgen hat die BGH-Entscheidung?
Anbieter von Internetseiten müssen möglicherweise ihr Erlösmodellüberdenken, wenn sie stark von Werbung abhängig sind. NachSpringer-Angaben sind nur wenige Medien in der Lage, Einnahmen übereine Bezahlschranke zu erzielen.
Wie reagiert Axel Springer auf das Urteil?
Der Verlag will jetzt Verfassungsbeschwerde wegen Eingriffs indas Grundrecht auf Pressefreiheit einreichen. "Wir sehen im heutigenUrteil eine Verletzung der über Artikel 5 Grundgesetz geschütztenPressefreiheit, weil Werbeblocker die Integrität von Onlinemedien undderen Finanzierung gezielt zerstören", sagte Soehring.
Axel Springer sieht auch noch die Chance, nach dem Urheberrecht gegenWerbeblocker vorzugehen. Dabei wäre zu klären, ob Internetseiten inihrer Gesamtdarstellung vom Urheberrecht geschützt sind und einmöglicher Eingriff durch einen Werbeblocker in den Programmiercodeunzulässig ist.
Quelle: teletarif
Im Web werden viele Seiten durch Werbung finanziert. Adblocker unterdrücken Werbeeinblendungen und sorgen bei Anbietern von Internetseiten für Ärger. Jetzt gibt es rechtliche Klarheit
Wenn Internet-Nutzer sich von Werbung genervt fühlen, greifen etliche
Anwender zu einem Werbeblocker. Da aber viele Unternehmen ihr Web-Angebot
durch Werbung finanzieren, entstehen Konflikte.
So erlaubt dasMedienunternehmen Axel Springer den Zugriff nur bei ausgeschaltetemWerbeblocker. Im Prozess gegen den Anbieter des populären FiltersAdblock Plus, das Kölner Unternehmen Eyeo, ist der Verlag jetzt vordem Bundesgerichtshof gescheitert (I ZR 154/16).
Was sind Werbeblocker und wie arbeiten sie?
Ein Werbeblocker oder Adblocker ist ein Programm, das die Einblendungvon Werbung verhindert oder nur bestimmte Werbung durchlässt. DieAnzeigen werden zum Beispiel anhand der Internetadresse der Servererkannt, die die Werbung ausspielen. Adblock Plus arbeitet mit zweiListen: Wer auf der schwarzen Liste, der Blacklist, steht, wirdblockiert, wer auf der weißen Liste, der Whitelist, steht, darfpassieren. Nach BGH-Angaben ist Adblock Plus auf rund zehn MillionenEndgeräten in Deutschland installiert.
Warum wehrt sich Springer gegen Werbeblocker?
Für Medienhäuser wie Axel Springer steht wirtschaftlich viel auf demSpiel. Werbung macht einen beträchtlichen Teil der Einnahmen aus.Wenn jeder Nutzer Werbung blockiert, gibt es keine Werbeerlöse. "Dassdigitaler Journalismus dann nicht mehr refinanzierbar ist und dieMedienvielfalt im Internet gefährdet wird, liegt auf der Hand", sagtder Leiter Medienrecht bei Axel Springer, Claas-Hendrik Soehring.
Das Unternehmen hält das Blockieren von Werbung über eine Blacklistfür rechtswidrig und ist nicht bereit, Eyeo Geld dafür zu bezahlen,um auf die weiße Liste zu kommen. Die Whitelist enthältInternetseiten, auf denen Werbung nach bestimmten Regeln zu sehenist. Solche als akzeptabel eingestufte Werbung lässt Adblock Pluspassieren. Soehring kritisiert das als "erpressungsähnlichen Vorgang:erst jemanden wegblocken und dann gegen Zwangsprovision wiederfreischalten".
Was sagt der Hersteller?
Auch Eyeo ist nach Worten von Unternehmenssprecherin Laura SophieDornheim der Überzeugung, dass journalistische Inhalte finanziertwerden müssen. Es gebe aber weitere Möglichkeiten neben der Werbung."Wir sind der Meinung, dass es Werbung in einem akzeptablen Rahmengeben soll", sagt Dornheim. Das sei der Grund für das Whitelisting.
Eyeo trete für den Kompromiss ein, weniger und nicht aggressiveWerbung zuzulassen. Solche Werbung laufe auch bei Nutzern von AdblockPlus. Weil das mit Aufwand verbunden sei, verlange der Hersteller derSoftware eine Vergütung.
Was halten die Adblocker für angemessene Werbung?
"Sie darf nicht nerven", sagt Dornheim. Kriterien seien etwa, dassWerbung höchstens 15 Prozent der Startseite einnimmt und nicht inder Mitte von Texten steht. Außerdem dürfen Video oder Sound nichtautomatisch starten und keine Popups verwendet werden. Dornheimbetont, dass Eyeo nur in Deutschland rechtliche Auseinandersetzungenwegen Adblocker führen müsse.
Wie und mit welchen Gründen hat der BGH entschieden?
Grundlage sind die Paragrafen 4 und 4a des Gesetzes gegen denunlauteren Wettbewerb (UWG). Springer wirft Eyeo wettbewerbswidrigesHandeln vor. Nach Paragraf 4 UWG handelt unlauter, wer Wettbewerbergezielt behindert. In Paragraf 4a UWG geht es um aggressivegeschäftliche Handlungen, die Verbraucher oder andere Marktteilnehmerzu einer Entscheidung veranlassen, die sie sonst nicht getroffenhätten.
Der I. Senat des BGH sieht aber keine Verstöße von Eyeo. Einwichtiger Grund ist nach Angaben der Richter, dass die Internetnutzerselbst durch Installieren der Software die Werbung blockieren, nichtdas Unternehmen Eyeo. Außerdem könne sich Axel Springer wehren, indemer Nutzern, die einen Adblocker verwenden, den Zugang zu seinenAngeboten sperrt. Eyeo übe auch keinen Druck aus, der Unternehmen zueiner irrationalen Geschäftsentscheidung in Bezug auf die Whitelistdrängen könne.
Was hatten die Vorinstanzen entschieden?
Vor dem Oberlandesgericht (OLG) hatte Axel Springer noch einenTeilerfolg erzielt. Das OLG hatte die Verwendung der Blacklisterlaubt, die Whitelist aber als rechtswidrig eingestuft. In weiterenOLG-Prozessen in Hamburg und München war der Verlag bereitsunterlegen.
Welche Folgen hat die BGH-Entscheidung?
Anbieter von Internetseiten müssen möglicherweise ihr Erlösmodellüberdenken, wenn sie stark von Werbung abhängig sind. NachSpringer-Angaben sind nur wenige Medien in der Lage, Einnahmen übereine Bezahlschranke zu erzielen.
Wie reagiert Axel Springer auf das Urteil?
Der Verlag will jetzt Verfassungsbeschwerde wegen Eingriffs indas Grundrecht auf Pressefreiheit einreichen. "Wir sehen im heutigenUrteil eine Verletzung der über Artikel 5 Grundgesetz geschütztenPressefreiheit, weil Werbeblocker die Integrität von Onlinemedien undderen Finanzierung gezielt zerstören", sagte Soehring.
Axel Springer sieht auch noch die Chance, nach dem Urheberrecht gegenWerbeblocker vorzugehen. Dabei wäre zu klären, ob Internetseiten inihrer Gesamtdarstellung vom Urheberrecht geschützt sind und einmöglicher Eingriff durch einen Werbeblocker in den Programmiercodeunzulässig ist.
Quelle: teletarif
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